Mauerwerk

Festigkeitseigenschaften und Tragverhalten

Die Eigenschaftswerte von Mauerwerk können aufgrund der zahlreichen in der Praxis vorkommenden Stein-Mörtel­kombinationen sehr unterschiedlich sein und weichen teilweise deutlich von denen anderer Baustoffe ab.
Mauerwerk ist ein Baustoff, der sich in erster Linie für druckbeanspruchte Bauteile eignet. Die Beanspruchbarkeit auf Zug, Biegezug und Schub ist wesentlich geringer als die auf Druck. Mauerwerk wird daher in erster Linie zum Abtrag von vertikalen Lasten herangezogen.
Durch Wind, Erddruck und Erdbeben entstehen aber auch horizontale Lasten, die je nach Anordnung der Wände im Bauwerk eine Belastung in Wandebene oder rechtwinklig zu dieser bewirken können. So werden Außenwände beispielsweise infolge Erddruck oder Wind auf Biegezug- und Plattenschub beansprucht, während aussteifende Wände in der Regel eine Schubbeanspruchung in Scheibenrichtung erfahren.

Für die Bemessung von Bauteilen müssen die entsprechenden Festigkeitseigenschaften bzw. das Trag- und Verformungsverhalten des Mauerwerks bekannt sein. Im Eurocode 6 und den dazugehörigen nationalen Anhängen sind die relevanten Festigkeitseigenschaften von Mauerwerk in Abhängigkeit der Materialkombinationen festgelegt und die anzuwendenden Bemessungsgleichungen angegeben.
Diese basieren auf Modellen, die in der Vergangenheit auf Grundlage von stark vereinfachten Annahmen sowie theoretischen und experimentellen Untersuchungen abgeleitet wurden. Sie können deshalb das Trag- und Verformungsverhalten heutiger Neuentwicklungen im Mauerwerkbau nicht immer ausreichend zutreffend abbilden.

Die Forschungsarbeiten am ibac zielen auf die grundlegende und systematische Untersuchung des Trag- und Verformungsverhaltens von Mauerwerk ab – auch unter Berück­sichtigung bislang vernachlässigter Einflussgrößen.
Die Untersuchungen erfolgen hierbei sowohl experimentell am Baustoff, an Verbund- und Wandprüfkörpern als auch mithilfe von numerischen Berechnungsmethoden. Daraus werden Stoffgesetze der Mauersteine, des Mauermörtels sowie des Verbundes für den jeweiligen Belastungsfall ermittelt.
Mit der Erarbeitung von Zusammenhängen sollen bestehende Modelle angepasst oder neue Modelle entwickelt werden, die das Druck-, Biegezug- und Schubtragverhalten von Mauerwerk zutreffender beschreiben und eine bessere Ausnutzung der Materialien und Materialkombinationen ermöglichen.

Verformungseigenschaften und Risssicherheit

Wie bei anderen vergleichbaren Baustoffen treten auch bei Mauerwerk gelegentlich Schäden durch Rissbildungen auf.
Das ibac befasst sich seit Jahrzehnten intensiv mit der Erforschung der Eigenschaftswerte, welche die Risssicherheit beeinflussen.

Dies sind

  • Verformungen (Schwinden, Quellen, Kriechen),
  • die Steifigkeit sowie
  • die Relaxation

 

des Mauerwerks.

Neben Beurteilungsverfahren für die Risssicherheit mit Empfehlungen für die Vermeidung von Rissschäden werden auch Möglichkeiten für die Instandsetzung von rissbehafteten Bauteilen erarbeitet.

Verstärkung von Mauerwerk

Die Zugfestigkeit von Mauerwerk ist im Vergleich zur Druckfestigkeit wesentlich geringer.
Bei Verwendung von sehr leichten, wärmedämmenden Mauersteinen mit geringer Rohdichte oder filigraner Lochstruktur können geringere Zugfestigkeiten auftreten. Damit werden auch geringere Biegezug- und Schubfestigkeiten erzielt, die unter Annahme erhöhter Horizontallasten oftmals unzureichend sind.

Analog zum Stahlbeton kann durch Bewehrungsstähle die Biege- und Schubtragfähigkeit von Mauerwerkbauteilen erhöht werden. Diese werden in der Lagerfuge in Mörtel eingebettet oder in vertikalen Mauerstein-Aussparungen von Mörtel umhüllt.
In Deutschland ist die Bemessung derartiger Bauteile derzeit sehr unwirtschaftlich. Aufgrund von Erkenntnislücken über die Tragfähigkeit dieser Bauweise wurde der Sicherheitsfaktor auf der Materialseite vorerst auf den Wert von 10 hochgesetzt.

Das ibac setzt sich sehr intensiv mit dem Trag- und Verbundverhalten von herkömmlich bewehrtem Mauerwerk auseinander. Ziel ist, diese Erkenntnisse künftig in die Bemessung von bewehrtem Mauerwerk im Nationalen Anhang des Eurocode 6 einfließen zu lassen, damit diese Bauweise in der Praxis Anwendung findet.

Eine weitere moderne Möglichkeit, Bauteile zu bewehren, ist die Verwendung von Textil-Gelegen, wie die neuesten Baustoffentwicklungen im Betonbereich zeigen. Als neuer Forschungsschwerpunkt werden im Mörtel eingebettete Textilien zur Verstärkung von Bestandsmauerwerk sowie zur Steigerung der Biege- und Schubtragfähigkeit neuer Mauerwerkbauten erforscht.
Die Erfahrungen aus dem Sonderforschungsbereich Textilbeton und der Austausch mit europäischen Partnern auf diesem Gebiet, die sich schon sehr lange mit dem bewehrten Mauerwerk bei Erdbebenbeanspruchung auseinandersetzen, fließen unmittelbar ein.

Dauerstandverhalten und Dauerhaftigkeit

Leichte mineralische Baustoffe für tragende Wandbauteile sind zur Einhaltung der Anforderungen an den Wärmeschutz von Wohn- und Bürogebäuden von großer Bedeutung.
Leichtbeton- und Porenbetonsteine können heute mit Rohdichten von ca. 250 kg/m³ bei einer Druckfestigkeitsklasse von 1,6 N/mm² hergestellt werden.

Zur Untersuchung des Dauerstandverhaltens von kleinen Mauerwerk-Pfeilern aus Leichtbeton-Plansteinen mit niedriger Festigkeitsklasse wurden am ibac Dauerlaststände konzipiert und weiterentwickelt. Diese ermöglichen das Aufbringen einer über einen konstanten, zuvor kalibrierten Druck definierte Dauerlast. Die Dauerstandfestigkeit von Porenbetonsteinen kann an zylindrischen Kleinprüfkörpern erfolgen.

Neben dem Dauerstandverhalten ist auch die Dauerhaftigkeit von Mauerwerkbaustoffen von sicherheitstechnischer Relevanz. Zur Sicherstellung eines dauerhaften Porenbetons wurde vom zuständigen Normungsgremium das Schwindmaximum auf 0,4 mm/m begrenzt.
Der Zusammenhang zwischen dem Verformungsverhalten und den Festigkeitseigenschaften von Porenbeton wird am ibac in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe „Mineralogie und Anorganische Chemie“ ebenfalls auf mikrostruktureller Ebene untersucht.